Am 23. Juni stimmen die Menschen in Großbritannien darüber ab, ob Sie in der EU bleiben wollen.
In Spanien möchte sich die Region Katalonien von Spanien abspalten. In Deutschland möchte die AFD den Euro wieder einführen und in Osteuropa wollen viele Staaten die Grenzen möglichst zu machen. Europas Bürger möchten die Welt als Schrebergarten: Mit hohen Hecken, eingezäunt, klare Regeln und eine Schranke vor der Einfahrt, keine Fremden, keine Änderungen. Alles möglichst klein und übersichtlich.
Dass die Globalisierung den Menschen Angst machen kann, weil in Detroit beschlossen wird, in Bochum ein Autowerk zu schließen, ist verständlich. Vielleicht muss man den Menschen sagen, dass man auch in Detroit beschlossen hatte, in Bochum ein Autowerk aufzumachen.
In der Runde der Menschen, die sich trotzdem beklagten, war ich dann meist auch der Einzige, der einen neuen Opel gekauft hat...
Seit Donald Trump wissen wir, dass Fakten oft überschätzt werden.
Ich versuche es dennoch: Liebe Briten, wenn ihr aus der EU austretet, habt ihr nur Nachteile. Das könnt ihr zum Beispiel im Magazin Economist nachlesen. In einem neuen Freihandelsabkommen mit der EU werdet ihr genauso wie die „unabhängigen“ Schweizer alle Bestimmungen über gerade oder krumme Gurken einhalten müssen, ohne mitbestimmen zu können. Am Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Deutschland hunderte Zollgrenzen und viele kleine Königreiche, Grafschaften und Fürstentümer. Kleine politische Einheiten haben den Vorteil, dass fast jeder jeden kennt.
Das führt nicht immer zu besserer Politik, wie jüngst wieder die knapp 300 000 Isländer erfahren durften. Der isländische Premier war auch in Panama investiert. Die EU wird niemals alle glücklich machen. Sie ist bürokratisch, groß, zum Teil undemokratisch und sicherlich reformbedürftig. Vor mehr als 25 Jahren habe ich an der Uni in Brighton in der Vorlesung „European Economy“ viel über den „byzantinischen Stil der Politik“ in der EU gehört. Für byzantinische Politik brauchte die EU in den letzten 25 Jahren noch nicht einmal einen Erdogan.
Aber freiwillig auf den größten Binnenmarkt der Welt zu verzichten, ist ziemlich dämlich, weil dann die anderen Großen (USA, China) allein über Umweltstandards, Verbraucherschutz und Handelspolitik entscheiden, vielleicht demnächst sogar Donald Trump. Während die Politik in Europa verzweifelt versucht, Rahmenbedingungen zu schaffen um Arbeitsplätze aufzubauen, wollen viele EU-Bürger einen Weg aus der EU. Damit schafft man Arbeitsplätze ab, weil es weniger Handel geben wird, wenn der LKW an der Grenze zu Polen im Zoll steht. Die gemeinsame Währung aufzugeben: dito. Deutschland hat den Weg zur einer Industrienation geschafft, weil man im Schrebergarten die Grenzen aufgemacht und sich neuen Technologien und Unternehmen gewidmet hat. Das hieß dann zunächst Zollverein und führte dann zu einer politischen Einheit. Die meisten deutschen Unternehmen, die heute Weltrang haben (Bayer, BASF, Siemens, Bosch etc.) sind übrigens im Kaiserreich gegründet worden. Aus dem letzten Jahrhundert fällt mir gerade noch SAP ein und in diesem Jahrhundert kam noch nichts. Die Welt ist aber kein Schrebergarten, sondern ein sehr dynamischer Lebensraum.
Wer davor Angst, sollte zumindest nicht den Leuten im Weg stehen, die mithelfen, das im Schrebergarten nicht die Lichter ausgehen.
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