Wenn die Randbedingungen für das Geschäft härter werden, dann sollten die KMU einen Zahn zulegen – in der realen und der digitalen Welt. Vielleicht so, wie man das in Südkorea macht - bzw. machen muss.
Die Parallelen zwischen Deutschland und dem ostasiatischen Land sind größer als man denkt - nicht nur beim Thema Teilung des Landes. Während die Teilung in Deutschland überwunden ist, können wir bei anderen Randbedingungen koreanische Verhältnisse bekommen.
An Südkorea hat mich immer begeistert, dass man Ideen, Vorhaben sehr schnell umsetzen kann und man neuen Dingen gegenüber sehr offen ist. „Dynamic Korea“ ist ein Slogan, der tatsächlich stimmt.
Alles in Korea finde ich nicht gut. Meine japanischen Kollegen sagen immer, dass die Koreaner zu viel arbeiten, auch wenn man jetzt offiziell von einer 68- zu einer 52-Stunden-Woche gekommen ist. Das konfuzianische System in Korea ist oft
sehr unflexibel und starr. Darum geht es aber nicht.
Kein großer Heimatmarkt
Faszinierend ist, wie sich ein kleines Land hochgekämpft hat und sich in der industriellen Weltspitze behauptet. Südkorea hat einen kleinen Heimatmarkt und ist umgeben von großen Nachbarn und trotzdem in vielen Bereichen wettbewerbsfähig. So ein bisschen Korea habe ich mir für Deutschland auch gewünscht. Dass Dinge manchmal dann doch möglich werden, auch wenn Anfragen kurzfristig sind. Mehr digitale Möglichkeiten und so etwas wie eine industrielle Strategie wären schön. Es kann darauf hinauslaufen, dass wir so etwas wie Südkorea werden, ob wir wollen oder nicht. Kleiner Heimatmarkt, umgeben von großen Nachbarn aber leider nicht so dynamisch.
Export wichtigste Strategie
Wenn die Negativ-Szenarien mit hartem Brexit, einer Wiederwahl Donald Trumps und einem Auseinanderfallen der EU entlang nationaler Egoismen und fehlender Idee, was Europa ausmacht, wahr werden, dann kann es für die Wirtschaft ungemütlich werden. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in Deutschland leben vom Export und das betrifft insbesondere innovative Hightech-Unternehmen. Zusammen mit dem IVAM Fachverband für Mikrotechnik habe ich 2014 die internationalen Aktivitäten von Hightech-KMU aus Deutschland und Europa untersucht. Die Studie haben wir nie in Gänze veröffentlicht, aber die wesentlichen Ergebnisse sind auf dem World Micromachine Summit 2015 in Berlin vorgestellt worden. Von den an der Studie beteiligten Unternehmen machen mehr als die Hälfte mehr als 50 Prozent des Umsatzes im Ausland. Das oberste Quartil macht sogar mehr als 75% des Umsatzes im Ausland. Die bevorzugte Markteintrittsstrategie ist der Export. Daran wird sich nicht viel geändert haben.
Zollkontrolle und Strafzölle
Viele Mittelständler, mit denen ich spreche, sind noch sehr entspannt. Gekauft würde immer, auch wenn es teurer und komplizierter wird. Es hat vermutlich noch niemand eine Vorstellung davon, wie es wird, wenn mit Groß-Britannien einer der wichtigsten Industriepartner in Europa wieder Zollgrenzen hochzieht. Ich kann mich noch ganz dunkel an Kontrollen und Schlangen an der Grenze zu Holland erinnern. Das deutsche Wachstumsmodell bekommt Risse und das betrifft insbesondere den Mittelstand.
Digitales Marketing für mehr internationale Sichtbarkeit und eine gute Kundenerfahrung
Marketing ist mehr als nur bunte Flyer drucken. Das ist leider bei vielen Hightech-KMU noch nicht angekommen. Die Ergebnisse der Studie „Viele Hightech-KMU bei Social Media planlos
Einsatz von Internet/Social Media/Web 2.0 in Hightech-KMU“ von 2013 habe ich seitdem in zahlreichen Bachelorarbeiten bis in die jüngste Vergangenheit bestätigen können. Das Prinzip digitales
Marketing ist bei vielen KMU noch nicht angekommen. Hier haben sich grundlegende Dinge geändert. Es geht darum, bei
Kunden Sichtbarkeit, Vertrauen und gute Kundenerfahrungen zu erzeugen, sowie in den Prozessen durch Marketing-Automation effizienter zu werden. Es ist nicht immer genauso wie bei Harley
Davidson, dass „man ein Lebensgefühl kauft und das Motorrad
dazu geschenkt bekommt“, aber produktzentriertes Denken ist „out“ und gutes digitales Marketing ist Pflicht. Neue Technologien, wie Chatbots, AI-gestütztes Predictive-Marketing und vieles
mehr geraten auch in die Reichweite von KMU. Was man konkret machen kann steht hier.
Digitalen Geschäftsmodelle in allen Bereichen
Die großen Plattformen, wie AirB&B, Facebook, Google, Uber und Co. haben es vorgemacht, wie man ohne eine einzige Produktionsstätte, ohne eigene Gebäude, Fahrzeuge und damit Investitionen in Sachen Bedürfnisse befriedigen und Geld verdienen kann.
Bei den KMU liegt es oft in der Natur der Sache, dass vergleichbare Skaleneffekte für einen Nischenanbieter nicht möglich sind. Gleichzeitig ist es trotzdem machbar weitere Geschäftsfelder im digitalen Bereich zu erobern.
Gerade im Bereich Service kann man auf neue Technologien aus dem Bereich VR und AR zurückgreifen und hier den Kunden neue Möglichkeiten anbieten. Der Kunde will keine Maschine kaufen, sondern das, was aus der Maschine herauskommt. Wer 24/7-Service besser anbieten will, sollte über digitale Modelle mit VR/AR nachdenken. Wichtig ist, dass man sich im Unternehmen als Team versteht. Marketing, Entwicklung, Produktion und Vertrieb können zusammen neue Geschäftsmodelle, Services, Produkte und vieles mehr entwickeln. Das Bild ist hier ein Ruderboot, in dem alle in die gleiche Richtung fahren und gemeinsam ein Ziel erreichen. Wenn man auf die Möglichkeiten aus dem VR/AR denkt, sollten Marketing und Produktentwicklung Hand-in-Hand arbeiten. Die VR-Welt für die Messe und das Marketing kann auch die Umgebung für die Produktschulung sein. Dann hat der Kunde das gleiche Erlebnis, wie auf der Messe.
Härter arbeiten reicht nicht, die Zeit läuft
Härter arbeiten reicht nicht aus. Wir sollten die Möglichkeiten smarter nutzen. Dann kommen wir vielleicht in vielen Bereichen ohne 52-Stunden-Woche aus. Auf jeden Fall lohnt es sich auch für KMU über Konzepte hierzu nachzudenken. Die Zeit läuft.